Berliner Kurier, 04. April 2010

Angst vor Luxus-Sanierung

Die wütenden Mieter von Schöneberg Anwohner blockieren Straße mit Möbeln

MOW

Schöneberg – Angst macht sich breit im Kiez an der Akazienstraße. Die Sozialmieter fühlen sich bedrängt, vertrieben, rausgemobbt. Nach der drastischen Erhöhung der Kaltmiete um 30 Prozent fürchten manche die Obdachlosigkeit. Um sich zu wehren, blockierten sie jetzt den Verkehr – mit einer Straßen-Sperre aus Möbeln, Koffern, Umzugskisten.

„Nehmen Sie Platz in unserer Musterwohnung mit Ausblick in die Armut!“, ruft ein Demonstrant verdutzten Passanten entgegen. Rund 50 Betroffene und Sympathisanten bauen Wäscheständer, Stühle und Topfblumen im Freien auf. Ein „symbolischer Umzug auf die Straße“ soll es laut Internet-Aufruf sein. „Und der Versuch, uns mit Geschädigten aus anderen Kiezen zu vernetzen“, sagt Demo-Anmelder Dieter Bernhardt (51) aus der Akazienstraße 6. Denn: Experten zufolge droht 28 000 Mietparteien in Berlins City die Verdrängung in Randbezirke.

Das Schema ist immer gleich: Ärmere Kieze verwandeln sich in Party-Meilen, Siedlungen am einstigen Mauerstreifen werden zu begehrtem Wohnraum – und schon wittern die Vermieter das große Geld. Die Mietpreise explodieren, als Begründung hält zum Beispiel eine lange nötige Sanierung her. Seit der Berliner Senat aus der „Anschlussförderung im sozialen Wohnungsbau“ ausgestiegen ist, kann das auch sozial schwache Mieter treffen.

„Weil wir das selbst erleben, sind wir zur Demo unserer Schöneberger Leidensgenossen gekommen“, sagt Sebastian Jung (35), Mietersprecher von Kreuzbergs berüchtigten „Schimmelhäusern“ (KURIER berichtete).

Er kennt Dieter Bernhardt, der jetzt in der Akazienstraße 665 statt 565 Euro Warm-Miete zahlen soll, seit vier Wochen. Es könnte der Anfang eines breiten Aktionsbündnisses für ganz Berlin sein.

Artikel im Berliner Kurier vom 4. April 2010