Willkommen auf Sozialmieter.de,

diese Homepage richtet sich an Mieterinnen und Mieter im Sozialen Wohnungsbau in Berlin, die u.a. vom Verlust ihrer Sozialwohnungen und von einer Vertreibung aus dem persönlichen Lebensumfeld bedroht sind. Etwa 28.000 Haushalte sind betroffen.

Aus gegebenem Anlass weisen wir darauf  hin, dass wir grundsätzlich KEINE Wohnungen vermitteln. Wenn Sie auf der Suche nach einer Sozialwohnung sind, wenden Sie sich bitte an das Wohnungsamt in Ihrem Bezirk.

Der Senat hat ermöglicht, dass Sozialmieter in nur wenigen Monaten aktiv aus ihren Sozialwohnungen vertrieben werden dürfen, um Platz für Reiche zu machen. Eine Korrektur der unsozialen und stadtentwicklungspolitisch katastrophalen Entscheidungen wird seitens des Senats genauso verweigert wie die Bewilligung von ausreichenden Hilfestellungen für die unter Schock stehenden Sozialmieterinnen und Sozialmieter. Setzt ein Stopp-Schild gegen die mieterfeindliche Vertreibungspolitik des Berliner Senats!

Manch einer mag das Folgende für einen schlechten Scherz halten, aber die Betroffenen können schon lange nicht mehr darüber lachen: Die Mieten im Sozialen Wohnungsbau in Berlin sollen jederzeit und praktisch unbegrenzt erhöht werden dürfen.

Abbildung: Beispiel für eine am 11. Februar 2011 ausgesprochene Mieterhöhung um mehr als 8 €/qm, was einer Steigerung der Grundmiete um mehr als 120 % entspricht. Die Mieterhöhung soll bereits am 01. März 2011 in Kraft treten.

Wie ist das nur möglich? – Im Jahr 2003 beschloss der Senat aus der so genannten „Anschlussförderung“, einer auf Dauer angelegten millionenschweren Subventionierung von 28.000 Berliner Mietsverhältnissen, auszusteigen. Und dies entgegen warnender Stimmen nach der „Rasenmäher-Methode“. Mit Wegfall der Förderung sind die Vermieter nun befugt, die Kaltmiete in einem Schlag bis auf die so genannte „Kostenmiete“ zu erhöhen. Diese kann in Berlin aufgrund früherer mafiöser Strukturen in der Baubranche einen Betrag von bis zu 21 €/qm netto kalt betragen. Die Kaltmiete soll somit jederzeit um mehrere hundert Prozent angehoben werden dürfen. Enthält der Mietvertrag darüber hinaus eine bestimmte Klausel – was oft der Fall ist – dann darf die um mehre hundert Prozent erhöhte Miete sogar rückwirkend für bis zu 23 Monate eingefordert werden, so dass sich schnell Nachforderungsbeträge von mehreren zehntausend Euro ergeben. Da niemand diese – im wahrsten Sinne des Wortes – astronomischen Forderungen wird bezahlen können oder wollen, bleibt dem Betroffenen nur, binnen dreier Monate von einem Sonderkündigungsrecht Gebrauch zu machen. Dies hat zwar zur Folge, dass die einseitig vom Vermieter erklärte Mieterhöhung nicht in Kraft tritt, doch muss die Wohnung nun innerhalb von weiteren drei Monaten geräumt werden. Der Vermieter von Wohnungen, für die die „Anschlussförderung“ gestrichen wurde, kann die Miete also praktisch unbegrenzt erhöhen. Und dies sogar beliebig oft. Der Mietspiegel spielt hierbei keine Rolle. Auch die sonstigen Instrumente des Bürgerlichen Gesetzbuches zum Schutz des Mieters greifen hier nicht. Dem Betroffenen bleibt im Falle einer exorbitanten und – im freifinanzierten Wohnungsbau vollkommen undenkbaren – Mieterhöhung nichts anderes übrig, als sofort zu kündigen und die Wohnung umgehend zu verlassen. Die Mieterinnen und Mieter fühlen sich daher „entrechtet“, wobei allerdings betont werden muss, dass dieses „mietrechtliche Vakuum“ ausschließlich im Land Berlin existiert. In allen anderen Bundesländern wurde der ursprünglich vorhandene Schutz für die Mieterinnen und Mieter aufrecht erhalten, bzw. können keine derart unrealistischen Kostenmieten geltend gemacht werden.

Über jedem, der sich seiner rechtlichen Situation gewahr wird, schwebt im wahrsten Sinne des Wortes ein Damoklesschwert. 28.000 Berliner Haushalte sind vom jederzeitigen Verlust der Wohnung bedroht. Dass diese Schutzlosigkeit auf extreme Weise psychisch belastend ist, Familienplanungen stets unter dem Vorbehalt zu erfolgen haben, dass die Wohnung noch eine Weile gehalten werden kann und nicht nur für kranke und behinderte Menschen eine vollkommen inakzeptable Rechtsunsicherheit besteht, wie das Leben weitergeht, versteht sich von selbst.

Nicht zuletzt aus diesem Grund nahm sich Dieter Bernhardt, betroffener Mieter aus der Akazienstraße und Mitbegründer des berliner bündnisses sozialmieter.de in der Nacht zum 2. Mai 2010 das Leben. Ein Freund las auf der Trauerfeier aus einem Abschiedsbrief vor, in dem Dieter Bernhardt erklärte, er habe die „Gefühlskälte“ und „Gleichgültigkeit“ nicht mehr ertragen können, mit der die politisch Verantwortlichen Berlins den Menschen in der Stadt begegnen.

Das „Pulverfass“, auf dem die Mieterinnen und Mieter sitzen – so die Wortwahl des wohnungspolitischen Sprechers der SPD-Abgeordnetenhausfraktion in einem Fernsehbeitrag – wird tatsächlich auch gezündet: „Zur Unterstützung der betroffenen Vermieter“ – so die Angabe der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung auf ihrer Homepage – wurde die so genannte „Belegungsbindung“ für die vom Wegfall der Anschlussförderung betroffenen Wohnungen ausgesetzt. Anders ausgedrückt: Die „WBS-Pflicht“ wurde aufgehoben. „Zur Unterstützung der betroffenen Vermieter“ wird diesen nun gestattet, dass in die Wohnungen – die nach wie vor Sozialwohnungen sind – Bezieher von hohem Einkommen einziehen dürfen. Alteingesessene Mieterinnen und Mieter, die teilweise seit zwei Jahrzehnten in den Sozialwohnungen leben und für deren Schutz der Steuerzahler fünfzehn Jahre lang aufgekommen ist, stehen nun vor der Wahl, die erhöhte Miete zu bezahlen oder die Wohnung an deutlich solventere Nachmieter zu verlieren, die naturgemäß niemals in den Besitz eines Wohnberechtigungsscheins kommen würden. Dem Slogan „Sozialmieter raus aus den Sozialwohnungen – Reiche rein in die Sozialwohnungen“ ist somit schwerlich etwas entgegen zu setzen.

Foto: Christian Könneke. Im Juli 2010 zogen knapp 100 Mieterinnen und Mieter aus dem Kreuzberger Fanny-Hensel-Kiez am Anhalter Bahnhof sowie aus einer benachbarten Wohnanlage in der Kochstraße mit Umzugskartons auf die Straße. Hierbei wurden sie von den Sozialmietern aus der Schöneberger Akazienstraße und der Belziger Straße unterstützt. Die Mieterinnen und Mieter, die von exorbitanten Mietsteigerungen und von dem Verlust ihrer Wohnungen bedroht sind, hielten ein Schild in die Höhe, auf dem geschrieben stand: „Expressversand des Berliner Senats – von: Fanny-Hensel-Kiez – nach: egal wohin, weit weg“.

Im Kreuzberger Fanny-Hensel-Kiez am Anhalter Bahnhof sowie in zahlreichen anderen Wohnanlagen in der Innenstadt wurden auf diese Weise bereits etliche Wohnungen „leergezogen“. Betrug die Kaltmiete zu Jahresbeginn dort noch 5,33 €/qm, werden die nach der Räumung der Sozialmieter modernisierten Wohnungen nun für eine Kaltmiete von 8 Euro, 9 Euro oder noch mehr vermietet.

Doch seien an dieser Stelle unsozial und unchristlich eingestellte Zeitgenossen, denen es nichts ausmacht, wenn andere aus der Wohnung fliegen, damit man selbst einziehen kann, vor unkalkulierbaren Risiken gewarnt. Sofern der Vermieter nicht freiwillig eine entsprechende Verzichtserklärung abgibt, was unwahrscheinlich ist, kann jederzeit aus dem Vertreibenden selbst ein Vertriebener werden – dann z.B., wenn die Wohnung plötzlich in eine Eigentumswohnung umgewandelt werden sollte. In den meisten Fällen endet das „mietrechtliche Vakuum“ planmäßig nämlich erst weit nach dem Jahr 2040. Bis dahin darf es weiter heißen: Wer Forderungen von ggf. mehreren zehntausend Euro nicht bezahlen kann oder will, verliert binnen zehn Wochen seine Wohnung.

Was bedeut diese Wohnungspolitik für die betroffenen Menschen und Kieze? Die Antwort dürfte wenig überraschen: Langjährig bestehende, gesunde Sozialstrukturen werden von heute auf morgen zerschlagen. Ein – wie im Falle des Fanny-Hensel-Kiezes vorhandenes – Stück gelungener Integration wird ausradiert und muss ggf. an anderer Stelle für teures Geld neu aufgebaut werden. Mit der Verdrängung der sozial Schwächeren an den Stadtrand und der „Entmischung“ der Innenstadt werden wohl auch sinkende Schülerzahlen einhergehen, was den Fortbestand von so mancher Schule oder Kita gefährden wird.

Am Thema interessierte Personen sind herzlich eingeladen, über Telefon oder eMail mit uns in Kontakt zu treten. Ihr Ansprechpartner ist Herr Sebastian Jung.

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