17.09.2011 | von M. Böttcher

Mieterhöhung bis 80 Prozent

Hilfe, wir werden raussaniert!

Prenzlauer Berg –

Der Schock kam beim Abendbrot. Kurz vor 20 Uhr klingelte es bei Doris Gerbinski in der Greifenhagener Str. 48. Doch der Bote vor der Tür verkündete keine frohen Nachrichten. Die 52-Jährige kassierte per Brief eine saftige Mieterhöhung. Wie alle ihrer Nachbarn, zum Teil bis zu 80 Prozent.

Grund ist das Auslaufen der Anschlussförderung für die Sozialbauten (der Komplex im Prenzlauer Berg wurde 1996 fertiggestellt) Ende September aus. Die Vermieter können nun die volle Kostenmiete verlangen. Ab 1. Dezember erhöhen sie drastisch die Kaltmiete. Akzeptieren wollen die Anwohner der Greifenhagener Str. 48 das nicht, bezahlen erst recht nicht. Weil sie es nicht können.

Manfred Otto (70): Der Rentner bekommt monatlich 990 Euro Rente. Jetzt wird seine Miete erhöht, er soll für 64 Quadratmeter 745,51 Euro (220 Euro Aufschlag) zahlen. „Ich bin im Prenzlauer Berg geboren, hier aufgewachsen – jetzt will ich auch hier sterben. Aber das kann ich mir nicht leisten.“

Katharina Schmidt (34): Die alleinerziehende Mutter soll statt 795 Euro für 88 Quadratmeter 1153 Euro zahlen. „Ich gucke mich schon nach einer neuen Wohnung um.“

Ilka Willers: Die zweifache Mutter (ein drittes Kind ist im Anmarsch) will zwar kämpfen, viel Hoffnung hat sie aber nicht. Statt rund 700 Euro bekam sie einen Bescheid, „auf dem eine vierstellige Zahl steht. Ich konnte es nicht glauben“.

Das Schicksal der Machtlosigkeit teilen nahezu alle Mieter im Komplex. Hier zu wohnen, kann sich ab Dezember keiner mehr leisten. Die meisten vermuten, dass ihre Wohnungen saniert und anschließend verkauft werden sollen. Reiner Wild vom Berliner Mieterbund hat dazu seine eigene Meinung: „Eine unglaubliche Sauerei, dass solche Miet-Explosionen im sozialen Wohnungsbau entstehen können.“ Die Hausverwaltung wollte sich wegen des „laufendes Vorgangs“ nicht äußern.

Artikel im Berliner Kurier vom 17.09.2011