05.01.2011 | Von: Birgitt Eltzel.

Investoren können gut verdienen

In Tiergarten steigen Wohnungsmieten um bis zu 60 Prozent

Vermietung provisionsfrei: Wohnungen, Tiefgaragenplätze“, verheißt ein Schild am Block Pohlstraße 43-53. Aus den 1984 im Rahmen der Internationalen Bauausstellung errichteten Häusern in Tiergarten-Süd ziehen immer mehr Mieter aus. „Viele können sich das Wohnen hier nicht mehr leisten“, sagt Robert Händler. Denn die Erste D.V.I., die im Juli 2010 die sechs Häuser mit 70 Sozialwohnungen aus einem Insolvenzverkauf erworben hat, hat die Mieten drastisch erhöht. „Teilweise um mehr als 60 Prozent“, sagt der Marketingspezialist. Händler klagt: „Hier wird Sozialer Wohnungsbau zum Spekulationsobjekt.“

Bewohner wollen sich wehren

Die Erste D.V.I., eine Gesellschaft von Lior Mamrud und Josif Smuskovics, gehört zu einem Firmengeflecht, das die Familien Mamrud und Smuskovics unterhalten. Sie kaufen Häuser und bauen diese um wie das Gebäude in der Potsdamer Straße in Schöneberg, wo sich jetzt das Hotel Lindemanns befindet. An der Grenze zu Kreuzberg wollen Mamrud und Smuskovics auf früherem Bahnland Luxuswohnungen bauen, dicht an den Häusern der Eylauer Straße. Dort hat sich bereits eine Bürgerinitiative gegen diese Pläne gebildet.

Auch in der Pohlstraße haben sich viele Mieter gegen die neuen Hausbesitzer zusammengeschlossen. Denn diese hatten schnell ihre Forderungen aufgemacht: 6,28 Euro pro Quadratmeter nettokalt sollten die Mieter, darunter viele Migranten und Hartz-IV-Bezieher, zunächst zahlen. Bisher lagen die Quadratmeterpreise meist zwei Euro und mehr darunter, je nach individuellem Mietvertrag. Die geforderte Summe hat die Erste D.V.I. zwar nach Prüfung durch die Investitionsbank Berlin (IBB) auf 6,16 Euro je Quadratmeter reduziert. Zahlen wollen die Mieter allerdings auch das nicht. „Wir haben Anwälte eingeschaltet und die Stadtentwicklungssenatorin um Hilfe gebeten“, sagt Händler. Einige Familien haben auch die Miete gemindert wegen Mängeln wie beispielsweise defekte Fenster und wegen chaotischer Bauarbeiten in den Gebäuden.

Hausbesitzer Lior Mamrud spricht davon, dass das „Objekt“ aufgewertet werden soll: „Die Häuser sind heruntergekommen. Jahrelang wurde dort nichts gemacht.“ Die geforderten Mieten hält er nicht für überzogen – „bei der Lage“. Denn von der Pohlstraße 43-53 ist es nur ein Katzensprung zur belebten Potsdamer Straße, auch der Potsdamer Platz und der künftige Park am Gleisdreieck sind nicht weit entfernt. Seine Gesellschaft werde die Außenanlagen und Treppenhäuser in Ordnung bringen und in die Wohnungen investieren, verspricht er. Dass die Erste D.V.I., wie von Bewohnern angenommen, die Alt-Mieter loswerden wolle, um eine zahlungskräftige Klientel anzulocken, weist Mamrud zurück.

Das Geschehen in der Pohlstraße 43-53 sei kein Einzelfall, sagt Reiner Wild, der Hauptgeschäftsführer des Berliner Mietervereins. Immer häufiger würden in Berlin Investoren Häuser aus Insolvenzen erwerben, insbesondere in citynahen Gegenden. Es lasse sich dabei gut verdienen. „Der Investor zahlt einen niedrigen Kaufpreis, weit unter den Erstellungskosten des Hauses.“ Die Mieten würden sich aber auch aus den Baukosten berechnen: „Da kann man ein sehr gutes Geschäft machen, auch ohne die Gesetze zu verletzen.“ Bis zu 6,16 Euro nettokalt, wie gefordert, sei die rechtlich zulässige Kostenmiete für die Häuser in der Pohlstraße, sagt Wild.

IBB-Sprecher Uwe Sachs verweist darauf, dass es bei Eigentümerwechsel auch dann zu kräftigen Mietsteigerungen kommen könne, „wenn der Alteigentümer seinen preisrechtlich zulässigen Gestaltungsspielraum nicht ausgenutzt hat“. Die Stadtentwicklungsverwaltung habe die IBB dennoch gebeten, den Sachverhalt nochmals zu prüfen, sagt Sprecherin Petra Rohland: „Die Mietsteigerungen in der Pohlstraße sind tatsächlich enorm.“ Mit Ergebnissen der Überprüfung sei aber nicht vor Ende Januar zu rechnen.

75 Wohnanlagen versteigert

Im Jahr 2003 hat der Senat beschlossen, für 28000 Wohnungen die Anschlussförderung im sozialen Wohnungsbau zu stoppen. Jahrzehntelang hatte das Land Berlin den Vermietern den Ausgleich zwischen billiger Sozialmiete und höherer Kostenmiete bezahlt. Bei etlichen Objekten ist die Förderung ausgelaufen, bei anderen endet sie 2016.

Viele Vermieter erhöhten anfangs trotz weggefallener Förderungen die Mieten nicht. Denn in der Stadt gab es mehr als 100000 freie Wohnungen. Jetzt zieht der Markt an.

Von Insolvenzen im Sozialen Wohnungsbau sind laut IBB vor allem Objekte betroffen, die keine Anschlussförderung mehr erhalten. Nach einem Bericht der Stadtentwicklungsverwaltung vom November 2010 waren zwischen 2003 und 2009 insgesamt 163 Objekte ohne Anschlussförderung von Insolvenz betroffen. Verkauft bzw. vorbereitet für den Verkauf wurden davon 96 Objekte. 177 Zwangsversteigerungsverfahren wurden eingeleitet, bis 2009 wurden bereits 75 Objekte versteigert.

Investoren können gut verdienen
Artikel in Berliner Zeitung vom 05.01.2011