09.11.2011 | von Jutta Blume

Mit einem mietenpolitischen Dossier fordern Initiativen aus ganz Berlin den künftigen Senat zum Handeln auf

Mietenstopp als vertrauensbildende Maßnahme

Anlässlich der Koalitionsgespräche zum Thema Stadtentwicklung waren am 8. November etwa 50 Mieter/innen ins Rote Rathaus gekommen, um der Dringlichkeit der Mietenproblematik in der Stadt Ausdruck zu verleihen. Sie überreichten den Vertretern der Fraktionen ein 28-seitiges  Dossier mit dem Titel „Ein Recht auf Stadt für alle“. Darin werden zum einen Problemfälle beschrieben, zum anderen aber auch konkrete Forderungen an eine künftige Mietenpolitik gestellt. Ein inhaltliches Gespräch kam bei der Übergabe nicht zustande. „Wir müssen erst einmal darüber reden können, damit wir Ihnen Ergebnisse präsentieren können“, erklärte der parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion Christian Gäbler. Die Geduld der Mieter/innen ist allerdings begrenzt. „Wer ein „weiter so“ der Wohnungs- und Stadtpolitik zulässt, riskiert eine Welle zivilen Ungehorsams“, heißt es in dem Dossier.

Schnelles Handeln vonnöten

Viele Mieter/innen haben schlichtweg keine Zeit mehr, auf langfristige Lösungen zu warten, da sie schon heute akut von Verdrängung bedroht sind. Mieter/innen aus der Greifenhagener Straße 48 etwa erhielten kürzlich Mietsteigerungen um 57 Prozent, nachdem ihr Haus zum 1. Oktober aus der Anschlussförderung für den Sozialen Wohnungsbau gefallen ist. „Bei uns wohnen viele alte Leute im Haus, die können nicht einfach umziehen“, beklagt einer der Mieter. Mieter/innen des Sozialen Wohnungsbaus sind auch aus dem Fanny-Hensel-Kiez und vom Kotti gekommen. Im Fanny-Hensel-Kiez sind viele wegen der drastischen Mieterhöhungen bereits ausgezogen, am Kotti geben die Mieter/innen laut einer internen Umfrage 40 bis 50 Prozent ihres Einkommens für die Miete aus.

Der Soziale Wohnungsbau ist jedoch nur einer der Problemfälle, der in dem Dossier der Mieterinitiativen beschrieben ist. Insgesamt sieben für die Berliner Mietenpolitik beispielhafte Problematiken werden darin ausgeführt. Dazu zählt auch die Verdrängung von Mieter/innen durch Modernisierung wie etwa in der Fuldastraße 31/32 in Neukölln. Folge der energetischen Modernisierung des Hauses sind Mietsteigerungen um bis zu 89 Prozent. Dabei sei die Modernisierung alles andere als warmmietenneutral, sie würde im Gegenteil auch die Heizkosten in die Höhe treiben, so die Bewohner.

Städtische Wohnungsunternehmen treiben Mietpreise nach oben

Neben konkreten Fällen der Verdrängung geht es in dem Dossier um die grundlegende Schwierigkeit, in Berlin überhaupt noch eine bezahlbare Wohnung zu finden, da bei 80 Prozent der Neuvermietungen die Preise über dem Berliner Durchschnitt lägen. Auch landeseigene Wohnungsunternehmen würden sich dabei als Preistreiber betätigen, wie am Beispiel der Gewobag in Charlottenburg gezeigt wird. ALG-II-Beziehende sähen sich wegen der steigenden Mieten dem Druck der JobCenter ausgesetzt, ihre Kosten der Unterkunft zu senken, das heißt, sich eine billigere Wohnung zu suchen. Die Betroffenen könnten dann nur noch entscheiden, aus der Innenstadt wegzuziehen, oder die erhöhten Mietkosten aus dem Regelsatz zu bezahlen.

Sofortmaßnahmen als Zeichen der Handlungsbereitschaft

Angesichts der drängenden Probleme verlangen die Mieter/innen vom künftigen Senat nicht nur, binnen 100 Tagen zur Mietenproblematik Stellung zu beziehen, sondern auch, eine Lösung sofort in Angriff zu nehmen. Als „vertrauensbildende Maßnahme“ fordern die Initiativen die Umsetzung von vier Punkten. So sollten Mietsteigerungen bei den landeseigenen Wohnungen ausgesetzt werden und die Kostensenkungsaufforderungen für ALG-II-Beziehende und bereits erfolgte Sanktionen zurückgenommen werden. Außerdem wird der künftige Senat aufgefordert, die angespannte Lage auf dem Wohnungsmarkt anzuerkennen, da nur auf diese Weise gegen erhöhte Mieten bei Neuvermietungen vorgegangen werden kann. Die vierte Forderung betrifft die Berechnung der Kostenmiete im Sozialen Wohnungsbau. Bei deren Berechnung sollten keine fiktiven Kosten mehr einfließen dürfen.

Die weiteren Forderungen der einzelnen Initiativen sind jedoch vielfältig und sollen auf einem „Mietengipfel“ weiter diskutiert werden.

Artikel im MieterEcho vom 09.11.2011