10.05.2011 | Karin Schmidl

Wohnraumgesetz

Trostpflaster für Sozialmieter

Berlin – Seit gut einem Jahr fordert der Berliner Mieterverein ein Gesetz zum Schutz von Sozialmietern in der Stadt. Diese sehen sich steigenden Mieten ausgesetzt, weil die Vermieter den stetigen Abbau der Förderung als Erhöhung an sie weitergeben können. Besonders drastisch ist die Lage für jene 28 000 Sozialwohnungen, für die der Senat im Jahr 2003 die Anschlussförderung komplett gestrichen hat – dort stiegen die Mieten bis auf bis zu 15 Euro nettokalt pro Quadratmeter. Und das für Menschen, die Sozialwohnungen erhielten, weil sie bedürftig sind. Im Fanny-Hensel-Kiez in Kreuzberg, einem Wohngebiet nahe dem Potsdamer Platz, sind von den rund 30 Alt-Bewohnern nur noch zehn da. Die anderen mussten sich billigere Quartiere suchen.

Solcherart Vertreibungen von Sozialmietern will der Senat mit seinem Gesetzentwurf eigentlich verhindern. Der Entwurf trägt den Namen Wohnraumgesetz, soll Ende Juni vom Abgeordnetenhaus beschlossen werden und wird bereits jetzt von Mietervertretern scharf kritisiert. „Er ist eine Nullnummer, nimmt auf die Mieter keinerlei Rücksicht und schützt nur die Vermieter“, sagte gestern Reiner Wild, Chef des Berliner Mietervereins. Grund für die Kritik ist ein Deal zwischen Land und Vermietern, der im Gesetz folgendermaßen festgeschrieben ist: Berlin bietet den Sozialwohnungseigentümern an, die gewährten Landes-Darlehen vorzeitig zurückzuzahlen. Ihnen werden sogar zehn Prozent der Rückzahlungssumme erlassen, wenn sie sich verpflichten, die Sozialmieten zu senken. Wie weit die Absenkung der Mieten gehen soll und wie viele Vermieter dabei überhaupt mitmachen, ist ungewiss. „Wir setzen auf einvernehmliche Lösungen“, bestätigte Thomas Brand, in der Stadtentwicklungsverwaltung zuständiger Referatsleiter für Wohnungspolitik.

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Ein weiterer Kritikpunkt: Für den Fall, dass Sozialwohnungen zwangsversteigert werden, soll für diese das allgemeine Mietrecht gelten. Das heißt, die Vermieter können dann nur die ortsübliche Vergleichsmiete kassieren. Pech nur für jene Sozialmieter, die vor dem Verkauf mit Mieten von bis zu 15 Euro pro Quadratmeter konfrontiert sind. Wild: „Diese Mieten würden dann auch im Vergleichsmietensystem bestehen bleiben.“

Die Mietervertreter fürchten, dass sozial Schwache in der Innenstadt keinen bezahlbaren Wohnraum mehr finden. Dazu trage auch der Senat bei, dessen Ziel es sei, den sozialen Wohnungsbau schnell zu beenden. Ein Trostpflaster für Mieter hat Wild im Gesetz doch noch gefunden: „Sie haben statt wie bisher zweieinhalb Monate sechs Monate Zeit, sich ein billigeres Quartier zu suchen.“

Wohnraumgesetz Trostpflaster für Sozialmieter
Artikel in der Berliner Zeitung vom 10.05.2011